Kino Seifhennersdorf (abgerissen 2016)
Ehemaliges Kino
Als die Hirschlichtspiele nicht mehr nutzbar waren wurde sie 1954 geschlossen, drei Jahre später entstand in Seifhennersdorf ein Kinoneubau in der Nordstraße, der größer war eine höhere Kapazität und besseren Komfort besaß. Das Filmtheater verfügte über 368 Plätze. Das Lichtspieltheater in der Mitte von Seifhennersdorf war für die Einwohner viel mehr als nur das Kino. In dem Gebäude, Baujahr 1956, feierten zu Zeiten der DDR die Schüler regelmäßig Feste, gingen in Konzerte sowie auch zur Jugendweihe. Ab den 4. Juli 1991 stand das Haus leer. Der neue Eigentümer war ab 1994 die Firma Siedlungsbau Hagen. Geplant war die Umwandlung in Gewerberaum. Auch sollte zum Beispiel eine Spielhalle entstehen.
Die Entwicklung des Kinos in Seifhennersdorf
20.10.1897 spricht Franz Fürstenberg im Saal der „Krone“ über lebende Fotografie vor 350 Personen (Humboldtverein)
01.02.1900 Veranstaltung im Kretschamsaal – Vorführung zur lebenden Fotografie durch Gesellschaft Globus in Leipzig
13.02.1896 Erstaufführung des „Klangschreibers“ (Phonograph) durch den Humboldtverein in Seifhennersdorf
1909 Veranstaltungen des Wanderkinos auf dem Schützenplatz und in der „Krone“
25.01.1910 Erlaubnis zur Kinoveranstaltungen an Emil Dornig (Am Mittelwehr 3) kein langer Bestand
22.12.1910 Kinotheaterhalle auf dem Grundstück Rumburger Str. 27 gegenüber der Apotheke durch die Herren Goldberg
und Krauße eröffnet. Späterer Besitzer Paul Gäbler (1912)
1923 Kinotheaterhalle unter Besitzer Reinhold Bornstein abgerissen
1923 Einbau des Kinos im Tanzsaal des Hotels „Hirsch“ - Besitzer Paul Müller ab 1928 Woldemar Gräfe und ab 1932 Paul Heinitz Besitzer des Kinos Im Sommer 1954 wird dieser Betrieb baupolizeilich geschlossen
1954-1956 Filme in der Turnhalle (Karl-Liebknecht-Haus) gezeigt
04.09.1955 Grundsteinlegung für das neue Kino (Nordstraße)
14.09.1956 Einweihung des neuen Kinos
Das modernste Filmtheater des Bezirks eröffnet
Früher freuten sich die Dorfbewohner, wenn sich aller Jubeljahre mal ein Filmwagen in ihren Ort verirrte und zum Abend irgendeinen, in den Städten schon abgelegten Streifen spielte. Heute murren sie, wenn der Filmwagen eine Viertelstunde Verspätung hat; heute paßt ihnen nicht mehr eine nur flüchtig verdunkelte Kneipe – wenn sie sich freilich damit auch oft genug noch zufrieden geben müssen heute fordern sie in i h r e m Dorf ihr Kino. Diese Gegenüberstellung soll alles andere als ein Vorwurf sein (er wäre, soll er überhaupt hier ausgesprochen werden, einzig und allein denen zu machen, die früher das Land im Rückschritt beharren ließen) dieser Vergleich ist vielmehr sinnfälliges Zeichen gewachsener Ansprüche, wie sie Ergebnis und Triebkraft zugleich eines Staates sind, der dem Fortschritt nicht nur auf dem Papier huldigt.
So waren wir eigentlich nicht sonderlich erstaunt, nach Seifhennersdorf in der Oberlausitz zur Eröffnung eines Filmtheaters eingeladen zu werden, das - laut Einladung „nach modernsten Erkenntnissen“ erbaut wurde. Die Besichtigung hielt, was versprochen wurde. An der Straße, nahe dem Bahnhof, erhebt sich ein heller, moderner und dennoch nicht das Dorfbild störender Bau. Die Seifhennersdorfer sahen ihn nicht nur wachsen, sie ließen ihn (mit fast 20000 Arbeitsstunden im Nationalen Aufbauwerk) auch wachsen. Und nun, Mitte September, nahmen sie von ihm Besitz. Das Innere ist vom Erfrischungsstand im Foyer bis zum weitläufigen Vorführraum mit maschineller Umspulung großzügig gestaltet und behaglich eingerichtet, ohne daß dabei verschwenderisch verfahren worden wäre. Die Baukosten liegen umgerechnet auf die 428 Sitzplätze – je Platz um die 50 DM niedriger als zum Beispiel bei dem vor einiger Zeit, fertiggestellten und im technischen wie im persönlichen Komfort noch nicht einmal so vollkommenen Bad Schandauer Theater. Breitwandleinwand, Raumtonanlage und zwei D-1-Zeiss-Ikon-Projektoren mit Vorsatzlinsen gestatten moderne Wiedergabe, die sich immer mehr dem natürlichen Sehen und Hören, der Wirklichkeit angleicht. Das soll jedoch nicht als die Sensationsmache des sogenannten 3-D-Films verstanden werden, der dem Beschauer körperlichen Zwang und seelischen Druck auferlegt und der heute von allen ernst zu nehmenden Filmgesellschaften abgelehnt wird. "Du und mancher Kamerad“ war der erste Film im neuen Theater. Es hätte sich kein besserer finden lassen als dieser, der dem politischen Leben auf der Hut zu sein mahnt, damit die vielen fleißigen Menschen in ihrem persönlichen Leben nie wieder von einigen Mächtigen um die Erfüllung ihrer Wünsche betrogen werden.
Fr. Aus einer regionalen Zeitung im Jahre 1956, Verfasser unbekannt.
Liebe Filmfreunde! Man soll eigentlich nicht aus der Schule plaudern. Aber einmal handelt es sich hierbei um das Kino und zum anderen meine ich, daß es Sie interessieren wird. Deshalb will ich Ihnen einiges über unser neues Filmtheater sagen.
Das Wichtigste zur Vorführung eines Films sind wohl die dazu notwendigen Maschinen, oder die „Bildton-Maschinen“, wie es in der Fachsprache heißt. Deshalb will ich damit beginnen. In unserem Filmtheater wurde eine der neuesten Apparaturen eingebaut. Es handelt sich hierbei um Maschinen vom VEB Zeiß-Ikon Dresden vom Typ D 1, die vollkommen automatisch ferngesteuert werden und sich für Normal, Breitwand und Cinemascope eignen. Das Bild wird mittels Becklicht (Intensitätskohlelicht) auf die Leinwand projiziert, dadurch wird ein wesentlich helleres Bild erzielt, als dies mit allen anderen Verfahren möglich ist. Die Tonübertragung erfolgt durch das bekannte Lichttonverfahren. Es muß aber besonders erwähnt werden, daß in Zukunft nach weiterer Vervollkommnung des Raumtonverfahrens mit Magnetton gearbeitet wird. Die Voraussetzungen zur Umstellung auf Raumton sind in unserem Theater bereits gegeben, jedoch müssen noch die entsprechenden Verstärker und Tonabnehmer eingebaut werden, was aber keine erheblichen Schwierigkeiten verursacht. Mit der Einführung dieser Neuerung werden wir aber noch einige Zeit warten müssen, da es dafür noch keine Filme gibt. Gegenwärtig erfolgt die Tonübertragung noch mit zwei Lautsprechern (je ein Hoch- und Tiefton), die direkt hinter der Leinwand angebracht sind. Das Filmtheater arbeitet mit einer Stromspannung von 220/380 Volt und hat einen Stromverbrauch von 40 kW. Nun einiges zu der Diskussion „Breitwand“, weil es darüber bei dem Film „Bonjour Kathrin“ die verschiedenartigsten Meinungen gab. Viele sagten, das dieser Film nicht auf Breitwand vorgeführt wurde. Nun, dazu sei folgendes gesagt : Der Film „Bonjour Kathrin“ war von der Produktion der Bundesrepublik für die Umstellung der Theater von Normal auf Breitwand in einem Größenverhältnis von 1:1,66 herausgegeben worden, um die Möglichkeit zu haben, ohne große Störungen im Bildformat und bedingt auf Breitwand spielen zu können. Dem zufolge wurde der Film in unserem Theater nicht „original“ auf Breitwand gespielt. In diesem Zusammenhang will ich Sie kurz einmal mit den Größenverhältnissen der einzelnen Arten bekannt machen:
Größenverhältnis 1 : 1,37 Normal / 1: 1,85 Breitwand / 1 : 2,35 Cinemascope
Dabei wird Sie sicher noch interessieren, daß vom 22. Bis 26. November täglich um 17.30 Uhr der DEFA-Film „Das tapfere Schneiderlein“ vorgeführt wird, aber dann tatsächlich auf Breitwand, denn es handelt sich um den ersten DEFA-Film dieser Art
Über Vorführzeiten und Werbekästen.
Werbekästen: Gärtnerei Preibisch (vorm. Exner),Fischverarbeitungsbetrieb Jentsch, Bäckerei Thiele, Papier-Döring, Drogerie Daniel, Konsum-Verkaufsstelle Bräuerstraße (Bäckerei Arlt),
Konsum-Verkaufsstelle 402(Viadukt), Lebensmittelgeschäft Pelz, HO-Lebensmittel
Zollstraße (Ecke Südstraße), Kretscham, Edeka.
Dazu kommen noch Werbekästen im VEB Bekleidungswerke und im WEB Bunt- und Samtweberei.
Plätze, Preise, Vorverkauf.
Unser Filmtheater umfasst 428 bequeme Sitzplätze, die sich in drei Platzgruppen 1., 2. und 3. Platz aufteilen. Die Eintrittspreise gliedern sich folgendermaßen auf:
1. Platz 1,20 DM ermäßigt: -,60 DM
2. Platz 1,00 DM ermäßigt: -,50 DM
3. Platz 0,80 DM ermäßigt: -,40 DM
Rentner erhalten von Montag bis Freitag zur ersten Vorstellung eine Ermäßigung von 50 %, bei Filmen, die nur einen Tag laufen, auch Sonnabend und Sonntag zur ersten Vorstellung. Schwerbeschädigte mit gültigem Ausweis erhalten an allen Tagen und zu allen Vorstellungen eine 50prozentige Ermäßigung. Bei Eintrittspreisen ab 51 Pfennig wird zusätzlich eine Kulturabgabe von -,05 DM erhoben. Der Vorverkauf der Eintrittskarten erfolgt zunächst einmal in den Großbetrieben sowie Dienstag und Freitag in der Zeitvon11.30 bis 12.30 Uhr für die jeweilige Laufzeit des Filmes und eine Stunde vor Beginn der jeweiligen Vorstellung. So, liebe Filmfreunde, ich hoffe, das ich Sie über viele Dinge informiert habe, die Sie interessieren. Leider ereignen sich aber auch unliebsame Dinge, auch auf die möchte ich hinweisen. Es ist im allgemeinen bekannt, das alles mögliche und unmögliche Zeug gesammelt wird, neu war aber bisher, das man neuerdings auch Wasserhähne und andere Sachen sammelt. Bedauerlich ist dabei nur, dad dazu unser neues Filmtheater herhalten muß. Wir sind gern bereit, diesen Fimbesuchern andere Erinnerungsgegenstände zu schenken, es empfiehlt sich daher, sich vertrauensvoll an uns zu wenden. Mögen Sie in unserem Filmtheater noch viele Stunden guter Unterhaltung verleben, wir werden Ihnen dabei in jeder Weise behilflich sein.
Erich Schramm, Leiter des Filmtheaters Seifhennersdorf
Artikel aus einer Zeitschrift "WAS UNS INTERESSIERT!" THEATER, KINO, KONZERT, SPIEL, SPORT, TANZ IN SEIFHENNERSDORF IM NOVEMBER 1956 2.Jahrgang Heft 11°1956