Ambulatorium Seifhennersdorf (seit Jahren ungenutzt)

Ambulatorium

Ein Ambulatorium leistete den Bewohnern von Seifhennersdorf und Umgebung über ein halbes Jahrhundert gute Dienste. Die Rede ist vom Gebäude an der heutigen Otto-Simm-Straße 4. Erbaut wurde dieser solide Massivbau um 1900 als Fabrikgebäude. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden hier in der Kleiderfabrik Max Moritz Textilien hergestellt.

Nach der Enteignung der Besitzer 1947 zog die Verwaltung des VEB Schuhfabrik Seifhennersdorf ein. Auch einige Wohnungen entstanden. Große Sorgen bereitete der damaligen Gemeindeverwaltung die Gefahr sich ausbreitender Geschlechtskrankheiten, aber auch von Diphtherie, Typhus usw. Deshalb war schon 1946 ein Ambulatorium vorhanden.Regelmäßig wurde hier der Gesundheitszustand des Personals von Lebensmittelverkaufsstellen, Fleischereien, Friseurgeschäften, Gastwirtschaften und Kinos kontrolliert. Außerdem gab es Reihenuntersuchungen, vor allem der 14- bis 21-Jährigen, Schutzimpfungen, Entlausungen und Mütterberatungen.

Da die vorhandenen Möglichkeiten offensichtlich nicht ausreichten, fasste der Gemeinderat 1953 den Beschluss, in der ehemaligen Moritzschen Fabrik ein Landambulatorium einzurichten. Ein Jahr später begann die ortsansässige Firma Walter Wall mit den Arbeiten. Dabei wurde sie von den Einwohnern unterstützt. Diese leisteten laut Aufzeichnungen freiwillig insgesamt 2 717 Stunden im Rahmen des damaligen Nationalen Aufbauwerks (NAW). Davon entfielen allein 1600 auf Planierungs- und Reinigungsarbeiten. Die feierliche Übergabe erfolgte am 7. Mai 1955. Neben medizinischen Behandlungsräumen waren im Gebäude auch die Wohnungen des Leitenden Arztes, der Gemeindeschwester, des Hausmeisters und ein Aufenthaltsraum für die Schwestern untergebracht. Zum Personal unter Leitung von Chefarzt Dr. Bojko gehörten eine weitere Ärztin, zwei Zahnärzte sowie insgesamt 30 Mitarbeiter (Hebammen, Schwestern, zahnärztliche Helferinnen und Wirtschaftspersonal).

Nach Umbau und Erweiterung 1960 verfügte die Einrichtung über eine allgemeine Ambulanz, eine Zahnstation mit Röntgenabteilung, eine Bäder- und Massageabteilung, eine Röntgenabteilung und ein Labor sowie eine eigene Entbindungsstation. Auf diese war man ganz besonders stolz, da so etwas auf dem Lande keineswegs alltäglich war. Allein in den ersten fünf Jahren haben hier etwa 1000 Kinder das Licht der Welt erblickt. Der große Bruch kam mit der Wende. Die Einrichtung wurde zwar geschlossen, aber es praktizierten noch einige Mediziner mit eigener Praxis weiter, so ein Zahnarzt, eine Kinderärztin und ein Frauenarzt. Nach der Rückübertragung der Immobilie an die Nachfolger der Familie Moritz in den 1990er Jahren ist heute eine Schweizer Aktiengesellschaft Eigentümer.

Das ehemalige Ambulatorium wird nicht mehr medizinisch genutzt, seit August 2010 befand sich eine Hundeschule für Spezialhunde mit Unterkünften für Teilnehmer dort. Das Objekt steht nun auch schon wieder ein paar Jahre leer und wird nicht mehr genutzt.

 

                                                                Sächsische Zeitung vom 02.08.2011